Am 23.Mai 1829 erhielten CYRILL DEMIAN und seine Söhne Guido und Karl in Wien ein Patent, nachdem sie einem neuen Musikinstrument den Namen „ACCORDION“ gegeben hatten. Dort steht zu lesen: „Dieses Instrument hat die Gestalt eines kleinen Kästchens mit einem Blasebalge. Die Bodenplatte ist mit 5 Tasten versehen, von denen jede einen Akkord zum Ansprechen bringt. Die vibrierenden Theile sind dünne Metallplättchen, welche ein Schnarrwerk mit durchschlagenden Federn bilden.“
Wahrscheinlich hatten damals schon einige andere mit ähnlichen Instrumenten, wie zum Beispiel der Mundharmonika, experimentiert, aber die DEMIANs haben das Patent am 6. Mai 1829 eingereicht und für ihre Entwicklung auch erhalten. So wie sie den Namen geschrieben hatten, findet man ihn genauso in der englischen Schreibweise. Im Deutschen hat sie sich in AKKORDEON verändert. Interessanterweise heißt die diatonische Mundharmonika auf englisch Harmonica.
Das DEMIANsche „Accordion“ hatte bereits die Merkmale unserer heutigen Instrumente: Balg, durchschlagende Zungen als Tonerzeuger und 5 Tasten in der Form von Leisten, aber keinen Bass. Es brachte allerdings nur Akkorde hervor, da das Instrument als Begleitung zum Singen gedacht war. In den Accordions gab es hinten ein Loch, wenn man das Instrument an den Körper drückte, wurde der Akkord gedämpft und der „Melodieton“ hervorgehoben. Bald baute man dafür einen Schieber ein, der diese Funktion besser unterstützte. Das erste Accordion war in C-Dur konzipiert, alsbald baute man größere Instrumente, auf denen dann C- und G-Dur oder G- und D-Dur spielbar waren. Sie waren wechseltönig = diatonisch. 1832 erschien beim Verlag Diabelli in Wien die erste Spielanleitung (links). Sie ist in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek vorhanden. In dieser Schule kann man genau die Bauart des frühen Accordions erkennen. Seine Möglichkeiten dürften den Leuten damals nicht genügt haben, Patente galten nur im eigenen Land, so dass schon bald in anderen Ländern Instrumente (z. B. auch in Frankreich) gebaut wurden, die der Melodie den Vorzug gaben. Ab 1831 begannen kleine Erzeuger mit Weiterentwicklungen. In Wien war das erst nach dem Ablauf des Patents 1835 möglich und es lassen sich einige Betriebe nachweisen. Man kann sagen, dass die diatonischen Instrumente die ersten waren, die bis heute mit geringen Veränderungen in Verwendung sind. Es gibt heute ein- bis sechsreihige Harmonikas.
Bereits 1833 gab es in Wien verschiedene Instrumentenbauer, die Harmonien, Orgeln und Accordions anfertigten. Es gab hier nachweislich auch 7 Mundharmonikabauer.In der Weiterentwicklung gibt es viele Schritte zum Akkordeon der heutigen Bauart, es lassen sich aber die Fortschritte nicht unbedingt bestimmten Personen zuordnen. So gab es Accordions mit Metallknöpfen oder aufgesetzten Trichtern, Kanzellenkörper wurden entwickelt, wobei der Schlitz für die Zungen direkt in das Holz geschnitten waren. Ab ca. 1845 soll es schon Messingplättchen gegeben haben.
Um 1850 ließ sich der Musiker Franz Walther ein Instrument bauen, das gleichtönig war und drei Knopfreihen hatte, die senkrecht drei verminderte Septimenakkordreihen darstellten – somit war das chromatische Knopfakkordeon (B-Griff) geboren. Johann Schrammel nahm es in sein Quartett auf, nachdem der G-Klarinettist Georg Dänzer mit seinem „picksüaßen Hölzl“ gestorben war. Da die Begleitung und der Bass auf der Kontragitarre gespielt wurden, blieben die diatonischen Bässe unbeachtet erhalten. Da das Instrument im Quartett speziell für den harmonischen Hintergrund zu sorgen hatte, wurde es swcdhließlich als Harmonika bezeichnet. Johann Strauß hatte auf seinen Reisen immer ein Schrammel-Quartett dabei, so dass das Accordion auf diese Weise auch in vielen Ländern bekannt wurde. Zur “Schrammelharmonika” siehe https://harmonikaverband.at/2018/07/19/instrumentenkunde-schrammelharmonika/
1854 erscheint in Frankreich ein Instrument mit Klaviertasten. Auch in Wien wurde etwas später ein solches gebaut. Den Siegeszug um die Welt trat das Pianoakkordeon aber erst nach dem Ersten Weltkrieg an. Im deutschen Klingenthal kamen Instrumente an, die von den damals herumziehenden Händlern mitgebracht wurden. Wilhelm Rudolf Glier baute die Mundharmonika nach, und 1852 brachte der Klingenthaler Adolph Eduard Herold ein Akkordeon von einer Reise mit und begann es alsbald nachzubauen. 1860 erzeugte man schon mehr als 210.000 (!) Akkordeons, 1862 gab es 20 kleine Fabriken mit fast 350 Arbeitern. Viele der Einzelteile wurden in Heimarbeit hergestellt und in den Fabriken zusammengesetzt. Julius Berchtold entwickelte z.B. Maschinen zum Fräsen der Stimmen oder eine Presse zum Falten der Bälge. HOHNER begann erst 1857 mit der Produktion von Mundharmonika , kaufte um 1900 einige kleine Akkordeonerzeuger auf und startete 1903 mit der Produktion von Akkordeons. In Italien begann 1863 Paolo Soprani mit der Herstellung der Fisarmonica. Ihm folgten weitere Fabrikanten, z. B.: Settimio Soprani, Scandalli, usw.
Bis etwa 1870 wurden alle Modelle als Accordion bezeichnet, unterschieden wurde nur mit der Anzahl der möglichen Töne, z.B.: „15-töniges accordion“. Selbst das Bandoneon, um 1850 von Hans Band entwickelt, wurde „72-töniges Accordion“ genannt, erst nach seinem Tod gab seine Witwe dem Instrument den Namen Bandoneon.
Um 1870 tauchte auch der Name Harmonika auf. Das Instrument wurde schließlich so beliebt, dass ihm die Leute „Kosenamen“ gaben: Harmonika, Harmonie, Zugin, Quetsch‘n, Wanznpress‘n usw. Eine Abhandlung über die Steirische Harmonika findet sich auf https://harmonikaverband.at/2018/08/10/instrumentenkunde-steirische-harmonika/!
In Wien gab es um 1900 mehr als 100 Erzeuger. Matthäus Bauer gründete damals eine Genossenschaft der Akkordeonbauer. Damit wurde der Einkauf der vielen Materialien für die Einzelteile günstiger gestaltet. Ein Akkordeon besteht aus Holz, Metall, Pappe, Papier, Kunststoff, Stoffe und hat mit nur 96 Bässen etwa 1000 Einzelteile! Die Produktion besteht in hohem Prozentsatz aus Handarbeit, wobei die Maschinen nur Hilfen fürs Sägen, Schleifen, Biegen, Stanzen, Nieten, Pressen etc. bilden. So versteht man auch den relativ hohen Preis für das beliebte Musikinstrument, das alle Gemütsstimmungen darstellen oder beeinflussen kann.
Seit 1829 hat sich das „Accordion“ zu verschiedenen Modellen entwickelt: Pianoakkordeon, Knopfakkordeon in B- und C-Griff oder Finnisches System, mit den herkömmlichen Standardbässen (48 bis 120 Bässe) oder mit Converter für chromatisches Spiel im Bass. Die heutigen Konzert-Akkordeons haben ein Melodiebass-Manual, das der Diskantseite entspricht, aber teilweise einen wesentlich größeren Tonumfang hat. Diese sind alle chromatisch. Es gibt weltweit viele diatonische Modelle mit einer, zwei und bis zu fünf Reihen wie bei unserer Steirischen Harmonika. Die Anzahl der Bässe beschränkt sich auf 2 Reihen, die Steirische hat als Besonderheit Helikon-Bässe.
In Russland schuf 1907 Pjotr J. Sterligow jenes Instrument, das sich grundlegend von allen bis dorthin existierenden Harmonikas („Garmoschkas“) unterscheiden sollte, und das er nach dem alten russischen Sänger Bojan „Bajan“ nannte: 55 Knöpfe in der vierreihigen rechten, 72 in der linken Klaviatur. In der Folge baute Sterligow 1929 das erste Bajan mit Einzeltönen. Es ist das große Verdienst von Juri K. Wolkowitsch, die Qualität des Bajans weiter perfektioniert zu haben, um so die Voraussetzungen für das moderne professionelle Spiel zu schaffen. Er konstruierte 1962 das erste Serienmodell mit Tonkammer „Solist“, 1967 „Konzert“ und 1969/1970 den drei- und vierstimmigen „Jupiter“. Heutzutage arbeiten die besten russischen Meister unter der Leitung von Sergei M. Baranow an weiteren Verbesserungen des Instruments.
Prof. Walter Maurer/Werner Weibert/Dr. Herbert Scheibenreif
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https://de.wikipedia.org/wiki/Cyrill_Demian