Im Jahre 2003 durfte ich den Uraufführungen des Gubaidulina-Konzerts „Unter dem Zeichen des Skorpions“ fürBajan (Akkordeon) und Großes Orchester beiwohnen. In den Stockholmer Berwaldhallen war dieses Akkordeon-Konzert mit einer Bruckner-Sinfonie kombiniert, im „De Doelen“ von Rotterdam erklang im zweiten Teil das Violinkonzert von Skrjabin. Das Akkordeon war also dabei, die großen Bühnen dieser Welt zu erobern und ist inzwischen längst auch in Wien „gesellschaftsfähig“ geworden.
Nach den Soloauftritten von Nikola Djoric im Musikverein und Ghenadie Rotari in der „Alten Schmiede“ war unlängst Alfred Melichar in der Wirtshausszene von Alban Bergs „Wozzeck“ auf der Bühne der Wiener Staatsoper zu erleben (rechts). Die lettische Akkordeonistin Ksenija Sidorova (unten) verzückte im Trio mit Avi Avital (Mandoline) und Amir Wahba (Perkussion) das Publikum des Großen Saals des Wiener Konzerthauses. Schließlich wird das Duo Aliada (Bogdan Laketic, Akkordeon und Michał Knot, Saxophon, Titelbild) als „Featured Ensemble“ der Jeunesse eine Saison lang im Fokus der Höraufmerksamkeit stehen.
Avi Avital begab sich mit Ksenija Sidorova und Amir Wahba auf eine musikalische Reise durch Raum und Zeit. Avital und Sidorova haben den Ruf ihrer Instrumente, die lange nur als Folkloreinstrument belächelt wurden, und ihr Repertoire virtuos entstaubt und so die historische Lücke in der Literatur ihrer jungen Instrumente gefüllt. Das Besondere ihres Programms „Between Worlds“ ist die außergewöhnliche Besetzung: Avital wurde als erster Mandolinist für einen Grammy nominiert, ECHO-Preisträgerin Ksenija Sidorova ist eine grandiose Akkordeonistin und Amir Wahba ein international gefragter Schlagwerker. Wie Avi Avital gilt auch die Lettin Ksenija Sidorova als vielseitige Botschafterin ihres Instruments. Perkussionist Amir Wahba bereichert das geniale Trio mit seiner Vorliebe für die unterschiedlichsten Musikstile der Welt. Die faszinierende Gratwanderung zwischen Stilen und Epochen, zwischen Regionen und Kulturen, die musikalisch eine unaufgeregte, harmonische Koexistenz führen, lässt ins Träumen geraten.
Das Akkordeon als junges Instrument auf den internationalen Konzertbühnen hat zuerst die Neugier und das Interesse zeitgenössischer Komponisten geweckt, die stets auf der Suche nach neuen Klängen sind, und inzwischen auch das Konzertpublikum erobert. Dies gilt in besonderem Maße auch für das polnisch-serbische Duo Aliada, das für seine kreativen Adaptationen des klassischen Repertoires (u.a. Bachs „Goldberg-Variationen) bekannt ist. Der polnische Saxophonist Michał Knot und der serbische Akkordeonist Bogdan Laketic gründeten das Duo 2013 in Wien, jener Stadt, deren reiche musikalische Tradition ihre Rolle als Kreuzungspunkt zwischen Ost- und Westeuropa spiegelt. In ihrem Programm „Heritage“ kehrten die beiden zu ihren slawischen Wurzeln zurück – mit einzigartigen Bearbeitungen, Originalstücken und Improvisationen quer durch das slawische Repertoire. Und nun wird gemeinsam mit dem Wiener Jeunesse Orchester im Goldenen Saal des Musikvereins Wien das Konzert „The Ancient Night“ für Saxophon, Akkordeon und Orchester des jungen polnischen Komponisten Wojciech Chałupka aus der Taufe gehoben. Dieses Werk erzählt in fantastischen Klängen von nächtlich-heidnischen Ritualen in slawischen Ländern, der künstlerischen Heimat des Duos: ein Konzert für Akkordeon und Saxophon perfekt eingebettet in Schuberts „Zauberharfen“-Ouvertüre, der geheimnisumwobenen „Unvollendeten“ sowie Strawinskys Musik aus dem märchenhaften Ballett „Der Kuss der Fee“.
Dr. Herbert Scheibenreif
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